Alle Menschen wollen glücklich sein, und wir sind dann glücklich, wenn wir lieben und uns geliebt wissen. Aber was heißt das eigentlich: Lieben?
Es gibt verschiedene Formen der Liebe, z.B. die Freundschaft, die Liebe der Eltern zu ihren Kindern, die Nächstenliebe oder die ausschließliche Liebe zwischen Mann und Frau in der Ehe.
Was aber macht ein Mädchen oder einen Jungen so anziehend? Ist es die Freude, die ich empfinde, wenn der andere da ist oder wenn wir gemeinsam etwas Schönes erleben? Ist es der Vorteil, den ich aus dem anderen ziehe, oder die Sicherheit, die er mir durch seine Fürsorge gibt? Oder sind es die Gefühle, die ich für ihn oder sie empfinde?
Solange eine Beziehung sich auf dieser Ebene bewegt, ist sie unvollständig, denn letztlich wird der Partner oder die Partnerin zu einem Objekt reduziert. Der andere füllt praktisch nur meine Lücken, und am Ende geht es ausschließlich um mich selbst.
Wahre Liebe bedeutet, ich wünsche das Gute für den anderen; ich fühle mich um seiner selbst willen von ihm angezogen; ich wünsche sein Glück. Die Beziehung gründet sich auf die Person des anderen, ganz unabhängig von ihren Stärken und Schwächen. Ich liebe ihn zuallererst, weil er es ist, weil sie es ist – und nicht, weil er mir etwas bringt.
Echte Liebe ist immer auf Freiheit begründet – Liebe und Zwang schließen einander aus. Ich entscheide mich frei zu lieben und wähle den Partner aus. Damit verschenke ich einen Teil meiner Freiheit, ich verschenke mich selbst in Freiheit. Diese Entscheidung setzt die Gegenseitigkeit voraus. Also: Liebe ist ein gegenseitiges und freies Geschenk mit allem, was uns als Person ausmacht: Leib, Seele und Geist.
Wenn ich etwas verschenke, kann (und will) ich es nicht zurückfordern. Das bedeutet, echte Liebe ist immer auf Dauer angelegt, sie strebt nach endgültiger Hingabe. Das ist natürlich nicht immer ganz leicht. Wir alle stoßen an die Grenzen, die unser Egoismus uns aufzeigt, wir erfahren Schwierigkeiten, und das Leben hält nicht nur Schönes für uns bereit. Das alles kann die Liebe gefährden, und wir stellen uns zu Recht Fragen wie „Werden wir uns auch noch lieben, wenn wir alt sind? Hält unsere Liebe auch Schweres, vielleicht Krankheit und Not aus? Kann ich ihre schlechten Eigenschaften auf Dauer ertragen? Halte ich seine Spleens aus? Wird unsere Liebe für das ganze Leben Bestand haben?“
Wenn unsere Liebe eine bewusste Entscheidung füreinander ist, dann hat sie Zeit zu wachsen. Das ist wunderbar, denn so kann die Liebe immer schöner werden. Die Liebe kann vor Herausforderungen gestellt werden, die erfordern, dass wir uns jeden Tag neu füreinander entscheiden. Wenn wir uns dem anderen über alle Schwierigkeiten hinweg zuwenden, aufmerksam miteinander umgehen und ihm immer wieder zeigen, wie einzigartig er für uns ist, werden wir einen gemeinsamen Weg finden. So kann sich die Liebe bewähren, vertiefen und immer vertrauensvoller werden.
Für Christen ist Gott das Urbild und die Quelle aller Liebe. Er liebt uns von Anfang an, mit all unseren Stärken und Schwächen, ganz so wie wir sind. Im Blick auf ihn kann auch die Liebe zwischen zwei Menschen das Glück erreichen, nach dem wir uns so sehnen.
- Karolin Wehler